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Hochsensibilität - kurz und bündig

Aktualisiert: 10. Nov. 2021

Hochsensibilität ist eine Persönlichkeitseigenschaft. Sie betrifft 31% der Bevölkerung (2018: Francesca Lionetti et al.) und ist zu 47% erblich und 53% erworben (2017: Elham Assary, Michael Pluess).


5 Kriterien

Die ersten 4 Kriterien stammen von Elaine Aron und Dr. Sandra Konrad; das letzte Kriterium habe ich als Erfahrungsschatz meiner Arbeit mit Hochsensiblen ergänzt.


Ansprechbarkeit und Verarbeitungstiefe für psychische und sensorische Reize

Hochsensible Personen haben eine grundlegend höhere Sensitivität als Normalsensible. Sie sind somit nicht einfach die sensibelsten 31% der Bevölkerung, sondern ihre Hirnstruktur, deren Neuronenverbünde und ihre hormonelle Reaktivität unterscheiden sich signifikant. Sie verfügen über eine ausgeprägte Wahrnehmungsfähigkeit, wodurch mehr Informationen und diese tiefer verarbeitet werden.


Langes Nachhallen und Neigung zur Überstimulation

All diese Informationen zu verarbeiten, das heisst in einem innerpsychisch kohärenten System abzulegen, benötigt Zeit. Da innerhalb dieser Zeitspanne in der Regel bereits weitere Reize eintreffen, neigen Hochsensible zur Überstimulation, d.h. ihr ganzes Körpersystem reagiert rascher und intensiver alarmiert und gestresst.


Verhaltenshemmung und -rückzug

Um dieser permanenten Überflutung zu entgehen, reagieren Hochsensible verhaltens-gehemmt - sie bevorzugen also Routinen und Gewohnheiten und sind bemüht, unbekannte Situationen zu vermeiden. Zudem benötigen sie regelmässig Rückzugsräume, um die Informationen verarbeiten zu können. Gleichzeitig brauchen sie aber auch den bereichernden Kontakt mit ihrer Umwelt, wodurch es zwei entgegengesetzte Zugkräfte gibt: Rückzug und Kontakt.


Schmale Komfortzone

Die Spannweite zwischen Unter- und Überforderung, in der sich Hochsensible wohlfühlen, ist deutlich enger als jene normalsensibler Personen, d.h. Hochsensible erleben zeitlich früher und deutlich intensiver Stress bei einem "Zuviel" und sie reagieren ebenso früher und intensiver gestresst bei einem "Zuwenig" an Reizen. Der High Sensation Seeker - eine Unterkategorie der Hochsensiblen - hat eine nochmals reduzierte Komfortzone und ist noch schneller im "Zuwenig".


Bindung und Exploration

Schon Kleinkinder pendeln zwischen dem Bedürfnis nach Bindung (sicherer Schoss der Eltern) und Exploration (Welt entdecken). Diese beiden Bedürfnisse sind nach meiner Erfahrung bei Hochsensiblen deutlich intensiver ausgeprägt als bei normalsensiblen Personen. Das Bedürfnis nach Bindung zeigt sich dabei in allen Facetten der Geborgenheit wie Nähe, Körperkontakt, Kommunikation, Verständnis, Gewohnheiten, Unterstützung oder geteilte Interessen; das Bedürfnis nach Exploration im Drang nach dem immer wieder Neuen, den vielfältigen Interessen, den wechselnden Hobbys, herausfordernden Aufgaben, dem sozialen Engagement u.ä. In meinem Verständnis geben diese beiden Pole Hochsensiblen die Möglichkeit, sich emotional zu regulieren, also aus der Unterforderung durch Exploration und aus der Überstimulation durch Bindungserfahrungen in die Komfortzone zurückzufinden.


4 Bereiche

Die Wahrnehmungsfähigkeit bezieht sich auf 4 unterschiedliche Aspekte, die an die Ausführungen von Brigitte Küster angelehnt sind. Nach meinem Verständnis beschreibt die individuelle Ausprägung in diesen 4 Bereichen das einzigartige Profil eines jeden Hochsensiblen.


analytisch-kognitiv

Analytisch-kognitiv starke Hochsensible verfügen über ein sehr differenziertes Gedankenkonstrukt, in dem sie versuchen, die Komplexität der Welt abzubilden und so wenig wie möglich zu vereinfachen. Sie denken daher ungern in schnellen Urteilen, sondern sind interessiert, alle verfügbaren Hintergrundinformationen einzubeziehen, Querverbindungen zu vorhandenem Wissen herzustellen und komplex analysierend, abstrahierend und assoziativ zu denken.


emotional-psychisch

Die Wachheit aller Sinneseindrücke, mit der Hochsensible ausgestattet sind, ermöglicht ihnen, selbst subtile Emotionen bei sich und anderen wahrzunehmen. Durch diese ausgeprägte Impathie- und Empathiefähigkeit, sind sie rascher emotional irritiert, verletzlicher und stärker durch eigene und fremde Schicksale belastet. Hochsensible, die in diesem Bereich ihre individuelle Stärke haben, werden auch hochsensitive Personen genannt.


körperlich-sensorisch

Die Wahrnehmungsfähigkeit Hochsensibler richtet sich nach innen und aussen und bezieht alle Fassetten ein wie Temperatur, Licht, Wetter, Stimmungen anderer, eigene Gemütsverfassung, Gerüche, Geräusche, Veränderungen der Umgebung, Berührungen und Hunger. Dabei unterscheiden sich Hochsensible einerseits in der Vielzahl der Informationen, die sie permanent aufnehmen, wie auch in der Intensität, in der diese auf sie wirken. So empfinden viele Hochsensible laute Geräusche als schmerzhaft, Gerüche können Schwindel oder Übelkeit auslösen, sie sind wetterfühlig oder reagieren empfindsamer auf Kleidungsstoffe, Kosmetikprodukte, Nahrungsmittel, Hunger oder Medikamente.


spirituell

Das Sehen grösserer Zusammenhänge, das Vorausdenken wie auch die Kraft, die Emotionen auf Hochsensible haben, sowie die meist schon sehr frühe Beschäftigung mit Themen wie Sinnsuche und Tod führt die meisten von ihnen zu ihrer eigenen Art von Spiritualität. Der individuelle Glaube gibt Halt und Zuversicht, wenn der Schmerz über Einzelschicksale oder jenes der Welt zu gross werden.


10 Eigenschaften

Hochsensibler ist nicht gleich Hochsensibler! Und dennoch gibt es überschneidende Eigenschaften:

  • Perfektionismus und Gewissenhaftigkeit

  • Organisationstalent

  • Gerechtigkeitsempfinden und Loyalität

  • Harmoniestreben

  • Empathie

  • Neugier und Interesse an vielfältigen Themen und Selbsterfahrung

  • schnelle Auffassungsgabe

  • assoziativ, komplex, vorausschauend und innovativ denkend

  • ästhetisches Bewusstsein

  • Entscheidungsträgheit (spontan bei Relevanz der aktuellen Empfindlichkeit)


 

Test zur Hochsensibilität:

Ich empfehle den Test von Guido F. Gebauer, da dieser - stärker als jener im Internet weit verbreitete Test von Elaine Aron - ressourcenorientiert aufgebaut ist und neben der Auskunft zur Hochsensibilität auch aufzeigt, inwiefern die Hochsensibilität bereits als Potential gelebt oder als Belastung empfunden wird.

 

Schlusswort:

Bitte kommentiere diese Zusammenstellung zum Verständnis Hochsensibler, so dass ich diesen Text weiterentwickeln kann.

Was ist hilfreich? Was fehlt Dir? Was siehst/erlebst Du anders als beschrieben?


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